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Aso Agace (EN-DE-KU)
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Section INTERVENANTS
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Eva Weil
Section PRESSE
Nina Larsson tillbaka från Irak
Lotta Hedström
Nina Larsson är på väg till Kurdistan


Chroniques de Marc Kravetz France-Culture
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I  N  T  E  R  N  A  T  I  O  N  A L    C  O   N  F  E  R  E  N  C  E

Democratisation of the Middle East

Problems & Perspectives

19-20 November 2005
Organized by : Kurdish Institute of Paris in partnership with Kurdistan Minister of Culture
Iraqi Kurdistan Regional Government, Erbil - Kurdistan

sponsored by the French Ministry of Foreign Afffairs




Welche Rolle können die kurdischen Frauen im Prozess der Demokratisierung des Mittleren Ostens spielen?

By Aso Agace (*)

Ich möchte auf diese Frage eine provokativ klingende Antwort geben:

Ein Prozess der Demokratisierung ohne die Teilnahme der Frauen ist unmöglich.

Nicht nur, dass die Frauen zumeist mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen.

Nicht nur, dass ihre Stimme viel zu oft kein Gehör findet.

Nicht nur, dass ihr Auftreten in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, auch in der Politik, nicht selbstverständlich ist.

Nicht nur, dass die Frauen in den Gesellschaften der Länder des Mittleren Ostens noch weit entfernt von einem Leben sind, das ihnen die gleichen Rechte wie den Männer gibt.

Wenn Demokratisierung mehr als eine Frage gleicher Rechte und demokratischer Institutionen sein soll, sondern als ein lebendiger Prozess für die demokratische Umgestaltung der Gesellschaft verstanden wird, - wenn wir Demokratisierung so verstehen, dann wird er ohne die aktive Beteiligung der Frauen unmöglich sein.



Ich spreche von einer selbstbewusster Teilnahme der kurdischen Frauen, nicht von ihrer formalen Einbeziehung;

Ich spreche nicht von jener Halbherzigkeit, mit der Männer Frauen gestatten, an ihrem Tisch Platz nehmen zu dürfen, wo sie dann warten, ob ihnen auch das Wort erteilt wird.

Sondern ich spreche davon, dass Frauen selbstbewusst und selbstbestimmt die Interessen der kurdischen Frau zum Ausdruck bringen und darum kämpfen, dass sie gehört und ernst genommen werden, dass sie auf die Tagesordnung der Politik gesetzt werden. Denn es sind die Interessen der Mehrheit oder mindestens der Hälfte der Gesellschaft.



Ohne diese aktive Beteiligung der kurdischen Frauen wird der Prozess der Demokratisierung in Kurdistan sehr schnell stecken bleiben. Wenn die Hälfte der Gesellschaft vom politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Leben als mitgestaltende Kraft ausgeschlossen bleibt, wo ist da die Demokratie?



Kurdistan hat erstmals in seiner Geschichte die große Chance, eine „Insel der Demokratie“ (Insel = girav) zu werden, eine Insel, umschlossen von undemokratischen, autokratischen Ländern, in denen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte wenig oder nichts gelten. Als Insel der Demokratie in Mittelost hat Kurdistan für die westlichen Demokratien, Regierung und Völker, eine ganz andere Bedeutung. Und die Menschen der westlichen Welt würden in Kurdistan viel mehr sehen als nur ein Objekt ökonomischer und strategischer Interessen.



Hînbûn, das internationale Zentrum für Frauen und ihre Familien, ist Tausende von Kilometern von Kurdistan entfernt. Wir arbeiten in Berlin mit kurdischen Frauen. Sie sind politische Flüchtlinge und Migranten oder junge Frauen, die schon in Berlin geboren sind. Hînbûn begleitet diese Frauen auf ihrem zum Teil sehr mühsamen Weg in die deutsche Gesellschaft.



Auf diesem Weg müssen sie drei große Hürden überwinden:

1. das Desinteresse und oft auch die Ablehnung der deutschen Gesellschaft, der Bürokratie und der Menschen, sie tatsächlich als Gleichberechtigte aufzunehmen,

2. die einengenden Bindungen kurdischer Familientraditionen und männlicher Vorherrschaft und Geringschätzung der Frauen.

3. und schließlich auch das negative Selbstbild, das die Geringschätzung von Außen ins eigene Selbst transportiert hat.



Hînbûn führt seit 24 Jahren, mit finanzieller Unterstützung der Berliner Regierung, verschiedenste Seminare und Projekte durch, um insbesondere den kurdischen Frauen zu ermöglichen, immer besser diese hohen Hürden zu überwinden.

Natürlich gehören Projekte dazu, in denen sie das demokratische System Deutschlands kennen lernen.

Natürlich gehören auch solche Projekte dazu, dass sie die deutsche Sprache erlernen, die deutschen Sitten und Traditionen; dass sie sich mit Lehrern, Ärzten, Behörden besser verständigen; dass sie die großen Möglichkeiten eines reichen und demokratischen Landes für sich besser nutzen können.

Wir führen Seminare und Projekte für die Integration in die deutsche Gesellschaft durch, Projekte, in denen sie ihre deutschen Nachbarn besser kennen lernen; Projekte, in denen deutsche Behörden und Politiker über die Kurden und ihre Herkunftsländer sowie die Gründe ihrer Flucht informiert werden. Es gibt viele Projekte, die ich hier nicht alle auf zählen kann.

Alle diese Projekte waren und sind wichtig.



Das wichtigste aber war und ist, dass sich nach und nach das eigene Selbstverständnis, das eigene Rollenbild verändert hat. In unseren Seminaren lernen die kurdischen Frauen, dass in früheren kurdischen Gesellschaften die Frauen – im Vergleich zu den Nachbargesellschaften – deutlich freier waren und mehr Rechte hatten und in den Entscheidungsgremien der Gesellschaft respektiert wurden.

In heutigen kurdischen Gesellschaften ist die Situation der Frauen ungleich schlechter: Sie benötigen in der Regel die Zustimmung der Männer – des Vaters oder des Ehemannes – wenn sie außerhalb der Familie in irgendeiner Form am gesellschaftlichen Leben teilnehmen möchten. Dies gilt weitgehend auch noch für die kurdischen Frauen in Deutschland.



Deshalb war die Teilnahme der Frauen an Hînbûn-Projekten oft damit verbunden, dass sie aus dem engen Rahmen der Familien heraustraten. Nicht selten geschah dies in einem langen Prozess der Auseinandersetzung mit ihren Ehemännern oder Vätern und Brüdern.

Und diese Auseinandersetzug hat nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer verändert. Und das muss auch sein.



Damit diese Veränderungen stattfinden, hat Hînbûn von Anfang an nicht allein mit den Frauen, sondern mit der ganzen Familie, d.h. unter Einbeziehung der Männer gearbeitet.



Wenn unser Kurdistan eine Insel der Demokratie werden soll, und ich wünsche uns das aus vollem Herzen, und wenn wir damit nicht noch hundert Jahre warten wollen, dann müssen wir jetzt damit anfangen, an jedem Ort, in der Familie, Schule, Universität, am Arbeitsplatz, in den Medien und in der Politik, mit unseren Worten und Taten. Wir werden umso erfolgreicher sein, wenn wir kurdischen Frauen dabei nicht gegen unsere Männerwelt ankämpfen müssen.

Hînbûn in Berlin hat jetzt erstmals eine kurdische Männergruppe organisiert und parallel dazu eine kurdisch-deutsche Frauengruppe. Wir wollen, dass in diesen Gruppen u.a. die politische Frage der Demokratie auch unter dem Blickwinkel betrachtet wird, was aktive, lebendige Demokratie für das individuellen Verhalten eines jeden Einzelnen bedeutet und wie jeder Einzelne – in der Auseinandersetzung mit anderen – seine durch traditionelle Prägungen verursachten Grenzen überwinden kann.



Diese Aufgabe stellt sich auch im Großen. Die Politik kann einen solchen demokratischen Prozess aktiv befördern oder verlangsamen. Verhindern lässt sich die gleichberechtigte Teilhabe der Frauen an der Welt auf Dauer ohnehin nicht.

Im nächsten Jahr wird Hînbûn 25 Jahre alt und wir werden dieses Jubiläum u.a. mit einem Kongress zum Thema;;Kurdische Frauen und ihre Familien – hier und dort“ gestalten. Für diese Konferenz wünschen wir internationale Gäste und insbesondere Teilnehmer und Teilnehmerinnen sowie Referentinnen aus allen Teilen Kurdistans. Ich würde mich freuen, wenn ich nach Berlin mit einer Liste von Interessenten zurückkehren könnte.









(*) Director of Hînbûn, International Center for Information and Training of Women, Berlin